Warum ist Agilität so wichtig?

Ein Interview mit Dr. Jens Knese

Im Interview erzählt Dr. Jens Knese, Gründer und Inhaber der Knese Consulting, was ein agiles Unternehmen ausmacht und warum dieser Ansatz hilft, wettbewerbsfähig zu bleiben.

 

IHK: Herr Dr. Knese, Agilität ist aktuell in aller Munde. Was versteht man eigentlich unter einem agilen Unternehmen?

 

Ein Unternehmen gilt als agil, wenn es die Fähigkeit hat, in Situationen des Wandels und der Unsicherheit initiativ, flexibel, aktiv und anpassungsfähig zu agieren. Agilität kann für Unternehmen zu einem entscheidenden Kriterium für Wettbewerbsfähigkeit und Wettbewerbsvorteile werden. Dann, wenn es schneller, gezielter und effektiver als die Konkurrenz auf veränderte Rahmenbedingungen reagiert. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass sich viele Branchen und Industrien derzeit in einem tiefgreifenden Wandel befinden oder dieser für sie prognostiziert ist. Ein Wandel, der insbesondere auf zwei maßgebliche Treiber zurückgeführt wird: Die Digitalisierung von Produkten und Prozessen, sowie eine veränderte Erwartungshaltung auf der Kundenseite, mit der Forderung nach mehr Kundenorientierung und mehr Convenience.

 

IHK: Muss heute jedes Unternehmen agil sein?

 

Unternehmen benötigen Agilität, um auf Veränderung zu reagieren. Je schneller, umfassender und tiefgreifender sich das Umfeld eines Unternehmens verändert, umso wichtiger wird Agilität als entscheidendes Wettbewerbskriterium für ein Unternehmen. Denken Sie beispielhaft an den tiefgreifenden Wandel, den die deutsche Automobilindustrie durchläuft. Für die Transformation zu einem Hersteller batteriegetriebener, softwaregesteuerter Fahrzeuge bedarf es ein hohes Maß an Agilität in den betroffenen Unternehmen. Diejenigen, die in der Lage sind den Wandel schnell und erfolgreich zu bewältigen, diese Unternehmen werden zu den Gewinnern gehören.

 

IHK: Gibt es die eine Methode oder das eine Instrument, dass Unternehmen zu mehr Agilität verhilft?

 

Die Agilität eines Unternehmens ist das Ergebnis eines adäquaten Mindsets und vielfältiger Methoden und Instrumente, die ein Unternehmen ausgewählt hat und die sehr fein abgestimmt und austariert werden müssen. Das Einführen von Hoodie-Days, das Weglassen von Krawatten im Büroalltag oder das Tragen von Sneakers mögen hübsche Artefakte sein mit denen Agilität vorgespielt werden soll, sie haben aber auf dem Weg zu echter Agilität keine Bedeutung.

 

IHK: Benötigt ein Unternehmen immer das gleiche Maß an Agilität?

 

Industrien durchlaufen Entwicklungszyklen, auf ein hohes Maß der Veränderung folgt regelmäßig ein Maß der Konstanz. Agilität ist insbesondere in Zeiten der Veränderung notwendig. Und selbst in Zeiten der Veränderung benötigt wohl nicht jeder Unternehmensbereich und nicht jeder Mitarbeiter, das gleiche Maß an Agilität.

 

Eingangs wurde von mir die Automobilindustrie exemplarisch benannt. Eine Industrie die sich aktuell in hohem Maße verändert und wohl in noch höherem Maß verändern wird. Nichtsdestotrotz gilt für viele Bereiche der Industrie ein Maß der Konstanz. Muss der Bandmitarbeiter in der Automobilfertigung agil sein? Muss der Bandmitarbeiter in Design-Thinking Prozesse integriert werden, Kundenprobleme erkennen und iterativen Prozessschritten folgend Prototypen entwickeln können, die in kurzer Folge am Kunden getestet werden? Wohl eher nicht.

 

Signifikant anders gestaltet sich die Situation für die Bereiche Entwicklung, Marketing oder Vertrieb. Hier müssen die Mitarbeiter neue Mobilitätskonzepte und Mobilitätsdienstleistungen erdenken und prüfen. Es gilt disziplinübergreifend neue Technologien zusammenzuführen und schnell marktreif zu gestalten und auf Kundenakzeptanz zu prüfen. Aufgaben und Herausforderungen, die ein hohes Maß an Agilität einfordern.

 

IHK: Gibt es auch ein Zuviel an Agilität?

 

Die Erfahrung zeigt, dass Unternehmen, vielleicht mit Ausnahme von Start-ups, immer beides benötigen: eine Organisation für Konstanz, mit klaren Prozessstrukturen, Hierarchien und Entscheidungswegen. Und eine Organisation für Agilität, mit interdisziplinären Teamstrukturen, SCRUM oder Design-Thinking Arbeitsformen und einem hohen Maß an Risikobereitschaft und Fehlertoleranz. Wir sprechen in diesem Zusammenhang auch von Dualen Betriebssystemen. Bei der Festlegung „wieviel Agilität?“ geht es darum zu definieren, wer, welche Bereiche, welche Mitarbeiter in welchem Maß in agilen Arbeitsformen, mit agilen Methoden arbeiten sollen und welche explizit nicht. Gut gestaltet, lässt die Organisation in Duale Betriebssysteme einen Austausch zwischen den Betriebssystemen zu. In Abhängigkeit des aktuellen und/oder prophezeiten Wandels können Mitarbeiter so auch in beiden Betriebssystemen eingesetzt werden.

 

IHK: Erreichen Unternehmen die Agilität, die sie sich wünschen?

 

Aus vielen Beratungsprojekten wissen wir, Unternehmen haben die Notwendigkeit für mehr Agilität im Unternehmen klar erkannt und dennoch scheitern viele bei der Erlangung dieser. Aus unserer Erfahrung lässt sich dieses Scheitern erklären. Zum einen ist Agilität nicht monokausal. Es gilt, eine Vielzahl von Werkzeugen und Elementen so aufeinander abzustimmen, dass ein gewünschtes und benötigtes Maß an Agilität entsteht. Es ist wie bei einem Orchester, es gilt jedes Instrument, jedes Orchestermitglied so aufeinander abzustimmen, dass ein Wohlklang entsteht.

 

Zum anderen bricht der Weg zu einem mehr an Agilität häufig mit tradierten Organisationsmustern. Er muss Widerstände im Unternehmen überwinden und nur ein ganzheitlich angelegter Veränderungsprozess liefert das erstrebte Ergebnis. Unsere Erfahrung zeigt: auf dem erfolgreichen Weg zum richtigen Maß an Agilität gilt es für Unternehmen drei zentrale Fragen zu beantworten: Agilität – warum, wofür, wieviel?

 

Zur Person:

Dr. Jens Knese, MBA ist Unternehmensberater, Speaker und Publizist. Der Gründer und Inhaber der Knese Consulting berät seit vielen Jahren Organisationen, Manager und Führungskräfte, vom Mittelstand bis zum DAX-Konzern zu den Themen Strategie, Agilität und Innovation. Sein neuestes Buch „Learning from the Best“ ist soeben erschienen. Die IHK-Akademie Koblenz konnte ihn für drei Seminare in der zweiten Jahreshälfte gewinnen.

 

 

Literatur-Tipp:

Jens Knese: Learning from the Best. Managementwissen kompakt für Strategie, Agilität und Innovation. 1. Auflage 2021, Haufe

 

 

 

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